Vermögen weiterbringen-Interview behavorial Finance-Intro

«Anlagefehler kosten im Durchschnitt 7% im Jahr»

Interview mit Prof. Dr. Thorsten Hens,
Spezialist für Anlageverhalten

Anlagefehler gehen ins Geld. Und zwar nicht nur für Spekulanten. Denn Anlagefallen, so Prof. Dr. Thorsten Hens, gibt es viele. In seiner Forschungstätigkeit untersucht Prof. Dr. Hens, was Anlegerinnen und Anleger für Fehler machen – und wie sie diese vermeiden können. Im Interview erläutert er, worauf es beim erfolgreichen Anlegen ankommt.

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Prof. Dr. Thorsten Hens ist Vize-Direktor des Instituts für Banking und Finance der Universität Zürich. Er studierte in Bonn und Paris und unterrichtete an der Stanford University sowie an der Universität Bielefeld. Aktuell hat er auch Professuren an der Norwegian School of Economics and Business Administration in Bergen sowie der Universität Luzern inne. In seiner Forschungsarbeit untersucht der 1961 geborene Ökonom, wie Investoren Entscheidungen fällen. Dazu benutzt er Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie und der menschlichen Biologie.

 

Prof. Dr. Hens, was ist die schlimmste Anlagefalle? 

«Gar nicht investieren» ist der schlimmste Fehler. Danach kommt «in der Krise abbrechen». Und an dritter Stelle dann: «zu wenig diversifizieren».

Lässt sich der Schaden beziffern?

Ja, ziemlich konkret. Mehrere Untersuchungen haben das durchgerechnet. Das Ergebnis: Anlagefehler kosten den Anleger im Durchschnitt rund 7% im Jahr.

Was folgt aus diesen 7% Verlust?

Schon Benjamin Graham (der Lehrer von Warren Buffett) sagte: Der grösste Feind des Anlegers ist nicht die Bank, die zu hohe Gebühren verlangt oder der Staat, der Steuern erhebt, sondern er selbst. Diese fundamentale Weisheit hat die Behavioral Finance wissenschaftlich bewiesen. Wenn mir eine Bank hilft, die 7%, die ich jährlich aufgrund der Psychologie verliere, zu behalten, dann kann ich gerne dafür 1-2% Beratungsgebühren zahlen.

Eine gute Beratung schützt also den Anleger vor sich selbst?

Ja, sie schützt ihn vor Anlagefallen. In der Verhaltenswissenschaft nennen wir dieses Anlagefallen Behavioral Biases: Es gibt eine Vielzahl solcher Anlagefallen. Das ist wie in der Medizin. Es gibt nicht nur eine Krankheit, sondern hunderte. Aber diese sind unterschiedlich fatal. Der wichtigste Schutz vor Anlagefallen ist, sich selbst zu kennen und eine persönliche Strategie zu haben. Jeder kann mittels Behavioral Finance die Anlagestrategie finden, die zu seiner Persönlichkeit passt, sodass man diese langfristig beibehalten kann und erfolgreich wird.

Wie bringt man Anlagestrategie und Persönlichkeit zusammen?

Wer sich selbst gut kennt, hat die besseren Karten, ein erfolgreicher Anleger zu werden. Es gibt die Möglichkeit von Diagnostik-Tests. Und es gibt die kompetente Beratung, welche die richtigen Fragen stellt und daraus die richtige persönliche Anlagestrategie ableitet.

Gibt es auch genderspezifische Anlagefallen?

Ja. Genderaspekte sind auch in der Behavioral Finance zurzeit ein gerne diskutiertes Thema. Kurz gesagt: Frauen machen eher den schlimmsten Fehler, d.h. sie investieren nicht. Männer machen eher Fehler wie Unterdiversifikation, was aus Selbstüberschätzung resultiert. Mit dem Alter werden Anleger übrigens ruhiger: Sie investieren weniger aktiv und folgen weniger Trends.

Sind mit neuen Tools wie etwa Online-Trading via App auch neue Anlagefallen entstanden?

Durchaus. Je schneller ich einen Trade machen kann, desto unüberlegter kann ich ihn machen. Börseninformation via Social Media und der schnellere und auch kostengünstigere Zugang zur Börse dank Fintechs und Smartphone sind Herausforderungen für Anleger. Man kann sich von Panik anstecken lassen und schnell mal seine Strategie vergessen. Wir konnten beispielsweise zeigen: Trades, die mit einem Computer ausgeführt werden, sind weniger impulsiv und eher ertragreich als solche, die per Smartphone gemacht werden.

Wie haben die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaft das Anlegen in der Praxis verändert?   

Sie haben vor allem auch die Art, wie wir über das Anlegen nachdenken, verändert. In der ersten Phase hat die Verhaltenswissenschaft aufgedeckt, dass Anleger nicht immer rational sind. Dafür hat Prof. Kahnemann 2002 den Nobelpreis bekommen. Inzwischen hat die Verhaltenswissenschaft Methoden entwickelt, den Anlegerinnen und Anlegern zu helfen. Zum Beispiel mittels des sogenannte Nudgings. Hierbei überlistet man die Psychologie des Anlegers, damit er nicht immer dieselben Fehler macht.

Und an welchen Fragestellungen forschen Sie zu Zeit?

Wir kombinieren die Behavioral Finance mit den Erkenntnissen und Methoden der Neuro-Wissenschaften: So erforschen wir zum Beispiel, ob sich das Gehirn von Superinvestoren von denen normaler Menschen unterscheidet. Wir arbeiten da mit Gehirnscans. Tatsächlich sind im Gehirn eines Superinvestors gewisse Strukturen stärker ausgebildet.

Was heisst das für alle nicht Superinvestoren?

Normale Investoren wie Sie und ich, sollten sich nicht für Superinvestoren halten. Sie sollten eine Anlagestrategie wählen, die auf sie zugeschnitten ist und dann strategietreu bleiben.

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