Dossier-Unternehmerthemen-KNF Flodos-Intro

Geht Kundennähe auch digital?

Kaum ein Geschäftsmodell funktioniert ohne persönliche Kontakte.

Martin Becker, CEO der KNF Gruppe und Fabian Fischer, Leiter der LUKB-Unternehmerbank diskutieren über die betrieblichen Auswirkungen von Reisebeschränkungen.

Dossier-Unternehmerthemen-KNF Flodos-Text

Was sich daraus lernen lässt

Fabian Fischer: Ich bin immer noch positiv überrascht, wie schnell Videokonferenzen und andere Werkzeuge, welche die Zusammenarbeit auf Distanz ermöglichen, zur neuen Normalität wurden…

Martin Becker: Das hat mich ebenfalls verblüfft. Bei uns in der KNF-Gruppe* waren rund drei Viertel der 800 Mitarbeiter von Reisebeschränkungen und Homeoffice betroffen. Aber wir hatten nie ernsthafte Produktionsstörungen. Dies dank der ausserordentlich steilen Lernkurve, die alle Beteiligten durchliefen.

Fabian Fischer: Im Homeoffice, so kommt es mir vor, lernte sich so mancher neu kennen. Es war anfangs gewöhnungsbedürftig, sich tagtäglich vor eine Kamera zu setzen, weil immer die Frage mitschwingt, wie man wohl «rüberkommt»…

Martin Becker (lacht): Sich beim Sprechen filmen zu lassen, ist tatsächlich eine besondere Erfahrung. Aber wenn man das Gegenüber kennt und sich praktisch täglich mit ihm austauscht, bekommt man die Sache relativ schnell in den Griff. Schwieriger empfand ich die Interaktion mit Kunden und Partnern. Es ist drei Monate her, seit ich zum letzten Mal einem Kunden von Angesicht zu Angesicht begegnet bin. Dabei habe ich wiederholt festgestellt, dass bei der Kommunikation im virtuellen Raum einiges verloren geht. Die Körpersprache des Gegenübers lässt sich am Bildschirm nur schwer entziffern. Bei der Umstellung von analoger auf digitale Kommunikation werden gewissermassen die Feedbacksignale schwächer. 

Fabian Fischer: …wovon nicht alle Betriebe gleichermassen betroffen sind. Eine E-Commerce-Plattform wie Amazon – um ein Beispiel zu nennen – kommt ohne physische Interaktion mit den Kunden aus. Für ein Unternehmen wie die LUKB ist diese Form des «social distancing» undenkbar. Wir brauchen den zwischenmenschlichen Austausch mit den Kunden; er ist für uns – neben der im Grunde selbstverständlichen Professionalität – die Grundlage jeder partnerschaftliche Zusammenarbeit. 

Martin Becker: Vertrauen und Verlässlichkeit spielen auch im unserem Geschäft eine wichtige Rolle. Ohne die über Jahre gewachsenen Beziehungen zu unseren Lieferanten, wäre es uns zum Beispiel nicht möglich gewesen, die Corona-bedingt steigende Nachfrage nach Membranpumpen für Beatmungsgeräte schnell zu befriedigen – ein Umstand, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir bisher relativ glimpflich durch die Krise kamen. Aber wieder zum Thema: Wenn wir zusammen mit einem Kunden eine neue Pumpe entwickeln, erstreckt sich der Verkaufszyklus über rund zwei Jahre. Unsere Spezialisten sind auf dem ganzen Weg dabei: vom Engineering bis zur Validierung und Industrialisierung des Endprodukts. Die formellen und informellen Kommunikationsroutinen, die sich dabei einspielen, waren während des Lockdowns beeinträchtigt.

Fabian Fischer: Jetzt werden die Reisebeschränkungen und Distanzregeln nach und nach gelockert oder sogar aufgehoben. Wird es bei der KNF Gruppe ein Zurück in die Vergangenheit geben?

Martin Becker: Auf keinen Fall. Wir werden etliche Prozesse, die wir ad hoc eingerichtet haben, unabhängig von Kontakt- und Reisebeschränkungen beibehalten. Wir haben gelernt, dass nicht jeder Besuch beim Kunden, nicht jede Auto- und Flugreise zwingend nötig ist. 

Fabian Fischer: Das Stichwort lautet digitales Kundenmanagement. Das entsprechende Potential ist zweifellos da. Für mich stellt sich allerdings die Frage nach den Grenzen einer solchen Strategie. Im Hochlohnland Schweiz bewegen sich viele Unternehmen in den Premiumsegmenten ihrer jeweiligen Märkte. Beratung, Flexibilität und Kundennähe sind integrale Bestandteile ihrer Marktleistung. 

Martin Becker: Wir fokussieren deshalb auf das, was der Angelsache die «customer journey» nennt. Diese Kundenreise setzt sich aus den Berührungspunkten zwischen den verschiedenen Abteilungen von Anbieter und Kunden zusammen. Bei KNF versuchen wir nun, ausgewählte Berührungspunkte zu digitalisieren. Für gewisse technische Validierungsprozesse – um ein Beispiel zu nennen – brauchen künftig nicht zwei Menschen im selben Raum zu sein.

Fabian Fischer: Am Ende wird es auf einen Mix von analog und digital hinauslaufen. Wo das Optimum liegt, muss jedes Unternehmen für sich herausfinden. Für mich als Leiter der Unternehmerbank der LUKB gibt es Kontaktpunkte mit dem Kunden, die unbedingt physisch bleiben müssen; ich nenne das jährliche Bilanzgespräch; wo es neben den inhaltlichen Themen immer auch um den persönlichen, zwischenmenschlichen Austausch geht. 

Martin Becker: Ein Händedruck oder die Körperhaltung eines Menschen sagen oft mehr als die sprichwörtlichen tausend Worte. Die Kommunikation unter räumlich Anwesenden hat enorme Stärken. Wenn wir lernen, sie optimal zu nutzen, wäre das eine positive Lehre aus der Corona-Krise.

*Die KNF Gruppe gehört zu den international führenden Herstellern von Membranpumpen für Flüssigkeiten und Gase. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Sursee beschäftigt rund 800 Mitarbeiter an 16 Standorten weltweit. Zum Beginn der Coronakrise wurde KNF in verschiedenen Ländern als systemrelevant eingestuft. Der Grund: Membranpumpen sind eine Schlüsselkomponente beim Bau von Beatmungsräten.
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Impressionen vom KNF Flodos

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