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Bankenkrise von 2023 – Wo stehen wir ein Jahr später?

Die Bankenkrise vom März 2023 legte sich überraschend schnell. Das Bankensystem ist in einer soliden Verfassung und sollte daher auch die Probleme bei den Gewerbeimmobilien bewältigen können.

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Am Anfang stand die Silicon Valley Bank Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) löste Anfang März 2023 speziell bei regionalen US-Banken eine Vertrauenskrise aus. Verunsicherte Kundinnen und Kunden zogen Gelder ab, was die Banken zwang, sich Liquidität zu beschaffen. Dies erfolgte primär über den Verkauf von Wertschriften, vor allem Obligationen. Allerdings hatte der Renditeanstieg 2022/23 in den Büchern der US-Banken zu Buchverlusten bei Obligationen von USD 600 Mrd. geführt. Solange diese Obligationen nicht verkauft werden mussten, blieben es Buchverluste. Da einige Banken jedoch zum Verkauf gezwungen waren, wurden aus Buchverlusten nun realisierte Verluste. Dies zehrte das Eigenkapital bei zahlreichen kleineren Banken auf, führte zur Überschuldung und letztlich zur Liquidation. Die Kundinnen und Kunden suchten Schutz bei den Grossbanken, was den Exodus von Kundengeldern bei den kleinen Instituten weiter verschärfte. Die Krise nahm an Fahrt auf.

US-Notenbank unterband Vertrauenskrise

Speziell um diesen Teufelskreis zu unterbinden, setzte die US-Notenbank Fed ein neues Kreditprogramm auf und spielte auf Zeit: Banken konnten sich die nötige Liquidität bei der Fed holen und mussten ihre Anleihen nicht mehr mit Verlusten verkaufen. Unter anderem dank dieser Massnahmen beruhigten sich die Märkte schnell. Dennoch mussten im Zuge der Bankenkrise vom März 2023 einige kleinere US-Institute schliessen bzw. wurden von grösseren Konkurrenten wie der US-Grossbank JPMorgan übernommen.

Das Ende der Credit Suisse

Der Vertrauensverlust in die Banken war auch in Europa deutlich spürbar. Das europäische Bankensystem zeigte sich jedoch wesentlich widerstandsfähiger. Denn seit der Finanzkrise 2008/09 sind die europäischen Banken viel besser kapitalisiert und werden auch sehr streng überwacht. Trotzdem geriet die Credit Suisse spätestens seit März 2021 in eine zunehmende Schieflage: eine falsche Strategie, grobe Managementfehler, fragwürdige Anreizsysteme und mangelnde Kontrolle führten zu Milliardenverlusten im Zusammenhang mit Greensill und Archegos. Bereits im Herbst 2022 nahm der Abfluss von Kundengeldern besorgniserregende Ausmasse an und zeugte von einem Vertrauensverlust in die Credit Suisse. Die Bankenkrise vom März 2023 führte zu einem weiteren Schub von Abflüssen, den die Bank allein nicht mehr stemmen konnte. Ende März schliesslich übernahm die UBS die Credit Suisse für umgerechnet CHF 3 Mrd. – aus heutiger Sicht zu einem Schnäppchenpreis.

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Daniel Bosshard Aktienanalyst Immobilien & Banken

Die Probleme bei US-Gewerbeimmobilien sind vor allem bei regionalen Banken ein wichtiges Thema.

Daniel Bosshard Aktienanalyst Immobilien & Banken
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Sorgenkind Gewerbeimmobilien

Ein Problem, das trotz der schnellen Beruhigung der US-Bankenkrise unterschwellig bestehen blieb, sind die Exponierungen gegenüber Gewerbeimmobilien. Diese wurden und werden in den USA vor allem durch Regionalbanken finanziert. Die effektiven Risiken in den Büchern der US-Regionalbanken sind nach wie vor eine «Blackbox».

Lange Zeit galt der Markt für Gewerbeimmobilien in den USA als sicherer Hafen. Durch den Trend zum Homeoffice seit der Pandemie stehen inzwischen viele Büros leer. Damit fehlt vielen Restaurants, Take-aways, Coiffeursalons etc. die Laufkundschaft. Wenn solche Kleinunternehmen als Folge ihr Geschäft einstellen und als Mieter verschwinden und gleichzeitig Nachmieter Mangelware sind, führt das natürlich zu steigenden Leerständen. Leerstand und Vermietbarkeit haben aber direkten Einfluss auf den Wert der Immobilien – welcher in der Folge häufig stark gesunken ist. 

Die Krise bei den Gewerbeimmobilien bietet immer wieder Stoff für medienwirksame Schlagzeilen. So wurde in Los Angeles im Dezember ein Büroturm mit einem Abschlag von 45% verkauft. In San Francisco gab es im vierten Quartal einen Leerstand bei Gewerbeimmobilien von 37%. Und in Chicagos Geschäftsviertel gibt es Gebäude, die nur zu 17% belegt sind. Auch wenn dies besorgniserregend klingt, muss bedacht werden, dass US-Büroimmobilien nur rund 15% des sonst soliden kommerziellen US-Markts ausmachen. Zudem gibt es auch in den USA bei den Qualitätsliegenschaften kaum Leerstand. Jede Krise findet darüber hinaus ihre Profiteure. So versuchen Investoren, an günstige Objekte zu kommen, und setzen darauf, dass die Nachfrage mittelfristig wieder anzieht.
 


 

Regionalbanken als grosse Kreditgeber

Die meisten Kredite für Gewerbeimmobilien werden von Regionalbanken vergeben, grosse Banken sind weniger betroffen. So stehen 70% der bis 2025 fällig werdenden gewerblichen Kredite in den Bilanzen von regionalen Instituten, wie aus einer Studie der US-Grossbank Morgan Stanley hervorgeht. Laut Goldman Sachs werden in diesem Jahr USD 520 Mrd. an Hypotheken fällig, bis Ende 2025 sind es USD 1’200 Mrd. Dies bei einem gesamten Hypothekarvolumen von USD 20’000 Mrd. Solche Kredite werden üblicherweise für 5 oder 10 Jahre abgeschlossen, das heisst, was jetzt fällig wird, muss zu wesentlich höheren Konditionen refinanziert werden. Laut jüngsten Studien befindet sich fast die Hälfte der Hypotheken für amerikanische Gewerbeimmobilien bei den Banken «unter Wasser»: Der Wert der Immobilien liegt also unter dem Wert der noch ausstehenden Kredite. Daher beobachtet man, dass viele Banken versuchen, die Kredite zu verlängern, um das Problem in die Zukunft zu schieben in der Hoffnung, dass die Preise wieder steigen.
 

Umnutzung der Büros ist schwierig

Das Problem mit leerstehenden Büroimmobilien lässt sich leider nicht einfach durch eine Umnutzung lösen. So haben Büroimmobilien teilweise grosse Flächen, die man abtrennen müsste. Oft handelt es sich auch um fensterlose Handelsräume. Ferner müssen in der Regel Stromversorgung und Lüftung umgebaut werden. Dazu kommen zusätzliche sanitäre Einrichtungen mit allen dazugehörigen Leitungen. Umnutzungsprojekte sind entsprechend umfangreich und kostenintensiv. Sie rechnen sich auch nur dann, wenn die erzielbaren Mieteinnahmen die Kosten rechtfertigen. Es überrascht daher nicht, dass Banken diesbezüglich vorsichtig sind und lieber darauf setzen, dass sich die Situation von allein wieder verbessert. Das Überangebot an Gewerbeimmobilien dürfte den Markt daher noch eine ganze Weile unter Druck halten.

US-Notenbank hält Probleme für überschaubar

Auch wenn es Probleme in Teilsegmenten des Marktes für kommerzielle Liegenschaften in den USA gibt, geht Jerome Powell, Chef der US-Notenbank, nicht davon aus, dass sich diese zu einer schweren Krise auswachsen werden. Wahrscheinlicher dürfte es «ein Problem sein, das uns über Jahre beschäftigen wird», wie er in einem Interview betonte. Auch wenn es Verluste geben werde, wie Powell meinte, halte er die Lage für «überschaubar». Ähnlich hatte sich zuvor auch US-Finanzministerin Janet Yellen geäussert. Trotz dieser eher positiven Einschätzung ist nicht auszuschliessen, dass einzelne US-Regionalbanken die Krise nicht überleben werden. Die grossen Banken sind dagegen sehr solide finanziert und werden sehr streng durch die Aufsichtsbehörden überwacht. In den letzten Monaten haben die Banken zwar etwas mehr zurückgelegt für ausfallgefährdete Kredite. Das Ausmass ist aber weit weg von einem Krisenszenario. Eine Ausweitung der Probleme auf das gesamte Finanzsystem ist nach heutigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich.

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Eine Ausweitung der Probleme auf das gesamte Finanzsystem ist nach heutigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich.

Daniel Bosshard Aktienanalyst Immobilien & Banken
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Die Lage in Europa

Auch in Europa steht der Immobiliensektor immer wieder im Fokus der Medienberichterstattung. Denn auch hier hat der Zinsanstieg der vergangenen Jahre die Finanzierungssituation verschärft. Zudem hält die Signa-Pleite mit ihren zahlreichen Tochterfirmen und vielfältigen Verflechtungen das Thema in den Nachrichten. Die Europäische Zentralbank geht in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht dennoch davon aus, dass vom Gewerbeimmobiliensektor der Eurozone keine systemische Krise ausgelöst werden kann. Ein Grund ist, dass in Europa nur 10% aller Kredite auf Gewerbeimmobilien entfallen, im Vergleich zu 30% bei Wohnimmobilien. 

Bei Gewerbeimmobilien gibt es ähnlich wie in den USA nach wie vor Überkapazitäten, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in den USA. So bestätigt die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die schwierige Lage bei den Gewerbeimmobilien. Sie sieht aber vor allem Auswirkungen auf der Ertragsseite der Banken durch eine höhere Risikovorsorge. José Manuel Campa, Leiter der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), geht zwar von einer langanhaltenden Belastung der Banken durch den Preisverfall bei Gewerbeimmobilien aus. Das Bankensystem als Ganzes sieht er jedoch nicht in Gefahr. Insgesamt gilt damit auch für die Eurozone, dass die Probleme im Bereich der Gewerbeimmobilien mit hoher Wahrscheinlichkeit keine systemischen Ausmasse annehmen dürften.

Bankenkrise 2023 – ein Schockmoment, aber keine Ankündigung einer neuen globalen
Finanzkrise

Rückblickend erscheint die Bankenkrise von vor einem Jahr als ein heftiges, aber glücklicherweise kurzes Beben. Die Schweiz war durch den Untergang der Grossbank Credit Suisse direkt mitbetroffen. Die schnelle Übernahme durch die UBS verhinderte jedoch Schlimmeres. Auch in den USA wurde durch das schnelle Eingreifen der US-Notenbank und die Unterstützung der US-Grossbanken ein Flächenbrand verhindert. 

Auf dem Gewerbeimmobilienmarkt beidseits des Atlantiks herrscht ein rauer Wind und kurzfristig wenig Aussicht auf eine schnelle Verbesserung. Dass sich dies aber zu einer Banken- bzw. Systemkrise in den USA oder Europa auswachsen kann, erscheint aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich.

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