Nur Bares ist Wahres: Wie lange noch?
Obwohl mobile Zahllösungen mächtig Auftrieb erhalten, gilt die Schweiz auch 2021 noch immer als Bargeldnation. Über die Gründe – und wieso der Trend trotzdem in eine andere Richtung zeigt.
1. Bargeld ist Teil der Identität
Dass man grosse Anschaffungen bar auf die Hand bezahlt, ist selten geworden, aber es kommt noch vor. «Die Schweiz ist auch heute noch eine Bargeldnation», sagt Markus Ruggiero, Leiter Produktmanagement Basisleistungen & Zahlen bei der LUKB. Er beschäftigt sich berufsbedingt mit dem Zahlungsverhalten der Schweizerinnen und Schweizer. Was unterscheidet denn die Schweiz von skandinavischen Ländern, in denen seit Jahren fast ausschliesslich mit Karte oder Smartphone bezahlt wird?
Obwohl der technologische Fortschritt rasant voranschreite, sei die emotionale Bedeutung des Bargelds nicht mit den sogenannten Mobile-Payment-Methoden vergleichbar, sagt Ruggiero. «Bargeld ist Teil der Schweizer Identität und bedeutet für viele ein Stück Freiheit.» Er denkt dabei an den berühmten Götti-Batzen: «Es ist ein anderes sinnliches Erlebnis, ob ich meinem Patenkind einen schweren und glänzenden Fünfliber in die Hand drücke, oder ob ich ihm die fünf Franken via Handy übermittle.»
Die Schweiz ist auch heute noch eine Bargeldnation
2. Die Corona-Krise beschleunigt den Trend
Trotz aller Liebe zum Bargeld sind sich Experten einig: Mobile Bezahllösungen werden an Bedeutung gewinnen und die Coronakrise beschleunigt diese Entwicklung. «In den vergangenen Monaten ist das Bargeld im täglichen Gebrauch bei vielen Leuten mehrheitlich verschwunden», sagt Ruggiero.
Das erwähnt auch Professor Andreas Dietrich, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern. «Tatsächlich kam es im vergangenen Jahr zu einem starken Anstieg im kontaktlosen Bereich. Auch mobile Transaktionen – die Bezahlung mit dem Smartphone oder der Smartwatch – haben während respektive vor allem auch nach dem Lockdown stark zugenommen.» So haben sich die Transaktionen mit mobilem Zahlen 2020 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. «Die Technologien waren schon vorher vorhanden. Corona hat den Trend einfach beschleunigt», so Dietrich.
Die Technologien waren schon vorher vorhanden. Corona hat den Trend einfach beschleunigt.
3. Menschen gewöhnen sich Bargeld ab
Auch wenn die Coronakrise dereinst überstanden sein wird, glaubt Andreas Dietrich nicht, dass die Entwicklung gebremst oder gar wieder rückläufig verlaufen wird. «Die Menschen gewöhnen sich an die kontaktlosen und mobilen Zahlungsmethoden und haben deren Vorteile kennen- und schätzen gelernt. Auch er selber nutze Bargeld nur noch äusserst selten, verrät Dietrich: «Die 100er-Note, die ich jeweils im Portemonnaie habe, überlebt in der Regel drei bis vier Monate.»
Für die Banken hat die technologische Entwicklung Konsequenzen. «Weil der ganze Transaktionsbereich vor Ort deutlich an Bedeutung verloren hat, wird es auf lange Sicht weniger Filialen und auch weniger Bankomaten brauchen», sagt Andreas Dietrich. Tatsächlich seien neben den Schalter- auch die Bankomaten-Transaktionen bereits seit einigen Jahren rückläufig. Während manche Dienstleistungen langsam verschwinden, sind die Banken gefordert, auf die neuen Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu reagieren.
Das Thema Bezahlen hat strategisch an Bedeutung gewonnen, wie Markus Ruggiero von der LUKB betont. Ein Beispiel für die Entwicklung in diesem Bereich ist die neue Debitkarte, die von der LUKB kürzlich lanciert wurde. Diese ersetzt die bisherige Maestro-Karte der LUKB-Kundinnen und -Kunden und eignet sich für fast alle Bezahlungen – «ganz egal ob online oder im Laden, mit dem Smartphone oder kontaktlos».
Die Menschen gewöhnen sich an die kontaktlosen und mobilen Zahlungsmethoden und haben deren Vorteile kennen- und schätzen gelernt.
4. Ganz verschwinden wird Bargeld nicht
Wurden vor 30 Jahren noch rund 90 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld durchgeführt, liegt dieser Wert aktuell noch bei rund 50 Prozent. Sowohl Andreas Dietrich als auch Markus Ruggiero glauben trotzdem nicht, dass das Bargeld in den nächsten Jahrzehnten ganz von der Bildfläche verschwinden wird. «Gerade in der Schweiz wäre der Widerstand riesig», betont Dietrich.
In manchen Ländern könnte dies aber langfristig durchaus der Fall sein. «Es würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn in China dereinst ein komplett digitales Geldsystem entstehen würde», so Dietrich. Auch andere Länder tragen dazu bei, dass der Besitz von Bargeld zunehmend unattraktiv wird: Sie schaffen grosse Banknoten ab, legen Bargeld-Limiten fest oder erheben zusätzliche Steuern auf die Nutzung von Bargeld. «Solche Massnahmen machen das Bargeld langfristig unattraktiver», sagt Dietrich.
Beide Experten hoffen aber, dass das Bargeld in der Schweiz langfristig überleben wird. Weil es zu den Qualitäten unseres freiheitlichen Systems gehöre, dass die Leute selbst entscheiden können, wie sie ihre Güter bezahlen möchten, so Dietrich.
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