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Bessere Perspektiven für Anleger

2022 war ein schwieriges Jahr für Anleger. Es gibt jedoch einen Silberstreifen: Ausgewogene Portfolios bieten wieder angemessenere Renditen, ohne dass zu viel Risiko eingegangen werden muss.

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Für viele Anleger haben sich die letzten drei Jahre wie eine Achterbahnfahrt angefühlt. Auf den panikartigen Ausverkauf bei Ausbruch der Pandemie reagierten Notenbanken und Regierungen mit voller Kraft, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Als sich die Lage einige Monate später mehr oder weniger stabilisierte, dauerte es nicht lange, bis die beispiellose Menge an Liquidität ihren Weg in die Finanzmärkte fand und viele Anlageklassen auf historische Höchststände trieb. In einigen entstanden sogar Blasen.

Seit diesem Jahr wird diese Liquidität nun abgeschöpft, dadurch dass die Zentralbanken die Zinsen rasch anheben. Einige Notenbanken haben ebenfalls begonnen, ihre Bilanz zu schrumpfen. Sie tun dies, um die stark gestiegene Inflation zu bekämpfen. Dies führte dazu, dass die Preise fast aller Vermögenswerte korrigierten.

Balanced-Strategien erlitten dadurch den grössten Verlust seit Jahrzehnten. Mittelfristig zeichnet sich jedoch ein Silberstreif am Horizont ab, denn höhere Zinsen und bessere Bewertungen haben die Renditeerwartungen sowie das Diversifikationspotenzial für ausgewogene Portfolios mit Blick auf die nächsten Jahre wieder auf Niveaus angehoben, die seit bald einem Jahrzehnt kaum mehr erreicht wurden. Damit bietet sich für Anleger ein attraktiver Einstiegszeitpunkt für langfristige Investitionen.

2022 war nach einem historischen Aufschwung besonders schlecht für die Vermögenspreise

Das Jahr 2022 war selbst für gut diversifizierte Anleger eines der schwierigsten Jahre der jüngeren Vergangenheit. Ein globales Portfolio aus 50% Aktien und 50% Staatsanleihen hat nach Inflation beispielsweise fast 20% verloren. Dieses Jahr ist insofern besonders, als Aktien und Anleihen beide zur gleichen Zeit stark an Wert verloren. Der Grund war, dass Inflationsängste zu höheren Zinsen und mehr Volatilität führten. Aufgrund ihrer gegensätzlichen Sensitivität gegenüber dem Wirtschaftswachstum bewegen sich die Kurse von Aktien und Anleihen eigentlich oft entgegengesetzt und puffern sich somit gegenseitig ab. In diesem Jahr war dies nicht so, was sich in einem inflationären Umfeld häufiger beobachten lässt. Die diesjährigen Verluste sind zum Beispiel mit denen vergleichbar, die zuletzt in den inflationären 1970er-Jahren verzeichnet wurden. Verschärft wurde das Problem in diesem Fall durch die jahrelange lockere Geldpolitik nach der Finanzkrise, die Anleger dazu veranlasste, auf der Suche nach Rendite grössere Risiken einzugehen und die Preise von allen Vermögenswerten in die Höhe zu treiben.

Anhaltende lockere Geldpolitik führte zu verzerrten Vermögenspreisen...

Die Erholung von der Finanzkrise seit 2008 leitete eine neue Ära der Zentralbankpolitik ein, indem neue oder selten genutzte Instrumente zur Rettung des Bankensystems und zur Unterstützung der Wirtschaft eingesetzt wurden. Nach der Senkung der Zinssätze auf null wurde durch die sogenannte «Quantitative Lockerung» («Quantitative Easing»), d.h. durch den Kauf von Vermögenswerten durch die Notenbank, zusätzliche Liquidität in das Finanzsystem injiziert. Ab 2014 wurden von der Europäischen Zentralbank (EZB) und u.a. der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Negativzinsen eingeführt, um das Abgleiten in eine Deflation zu verhindern. Mit Ausbruch der Covid-Pandemie schliesslich wurde auf globaler Ebene eine expansive Geldpolitik mit einer fiskalischen Expansion gekoppelt, um die Weltwirtschaft und das Finanzsystem zu stabilisieren. Dadurch wurde die Versorgung mit Liquidität auf die Spitze getrieben.



Dieses beispiellose Jahrzehnt äusserst lockerer Liquidität verhinderte wahrscheinlich eine längere Phase sehr schwachen Wachstums verbunden mit Deflationsrisiken, hinterliess jedoch auch grosse Verzerrungen an den Finanzmärkten, weil extrem niedrige Renditen und überschüssige Liquidität Anleger in risikoreichere Anlagen mit längerer Laufzeit drängten, um ihre Renditeziele zu erreichen. Dieser TINA-Ansatz (Englisch für «There is no alternative») trug wesentlich dazu bei, dass globale Aktien (insbesondere in den USA/neben anderen risikoreichen Vermögenswerten) Ende 2021 Allzeithochs erreichten.

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Josh Bouchard, Investment-Stratege

Die rapide Straffung der Geldpolitik führte zu einer Neubewertung fast aller Anlageklassen.

Josh Bouchard, Investment-Stratege
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…und diesmal auch zur Inflation

Die andere unbeabsichtigte Folge der kumulativen Wirkung der globalen lockeren Geldpolitik ist das derzeitige Inflationsumfeld. Seit dem Beginn der lockeren Geldpolitik während der Finanzkrise von 2008 haben Ökonomen darüber diskutiert, ob diese, wie bei vielen Episoden in der Vergangenheit, zu steigender Inflation führen würde. Bis 2021 schien die lockere Geldpolitik lediglich zu einer Inflation der Vermögenspreise zu führen. Vermutlich weil sich die Konsumenten und Unternehmungen noch von den verschiedenen wirtschaftlichen Problemen des vergangenen Jahrzehnts erholen mussten. Alles änderte sich während der Pandemie, als auch finanziell relativ gut dastehende Haushalte (vor allem in den USA) auf niedrigere Zinssätze und substanzielle staatliche Transferleistungen mit einer starken Nachfrage nach Gütern und später Dienstleistungen reagierten. In Kombination mit den pandemie-bedingten Engpässen und dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine trieben diese Ausgaben die Inflation auf das höchste Niveau der letzten Jahrzehnte. Die grossen Zentralbanken der Welt hatten angesichts ihres Mandats zur Inflationsbekämpfung keine andere Wahl, als die Geldpolitik rasch zu straffen, was schliesslich zu der drastischen Korrektur der Marktpreise von Vermögenswerten im Jahr 2022 führte.

Es zählt, was eingepreist ist

Der bereits erwähnte Silberstreif am Horizont ist, dass die jüngste Neubewertung der Vermögenswerte auch die aus heutiger Sicht zu erwartenden Renditen über die kommenden Jahre verbessert hat. Zwar ist es äusserst schwierig, genaue Wendepunkte an den Märkten zuerkennen. Aber wenn man die Renditen aus einer langfristigeren Perspektive betrachtet, spielt die Bewertung zum Kaufzeitpunkt (von billig bis teuer) des Vermögenswerts eine sehr wichtige Rolle.

Am offensichtlichsten sieht man dies bei Obligationenanlagen: Wenn man in eine Obligation mit einer Rendite von 5% investiert, können Zinsänderungen während der Laufzeit zwar zu einer gewissen Kursbewegung (und durchaus auch zu Buchverlusten, so wie in diesem Jahr) führen, aber am Ende der Laufzeit werden mit der Investition dann doch 5% jährliche Rendite erzielt. Im Vergleich dazu wird eine Obligation mit einer Rendite von 2% zum Kaufzeitpunkt fast immer eine deutlich geringere Rendite bringen. 

Was in diesem Beispiel der Obligationen vielleicht offensichtlich ist, lässt sich bei anderen Vermögenswerten wie Aktien und Immobilien im ersten Moment nicht ganz so einfach erkennen. Wie Obligationen liefern solche Vermögenswerte in der Zukunft auch Einnahmen (z.B. Dividenden, Mietzahlungen). Der heutige Wert dieser künftigen Einnahmen wird von denselben Zinsen beeinflusst, nämlich den aktuellen und den erwarteten Leitzinsen der Notenbanken. Je höher der Zins, desto niedriger der Gegenwartswert der Einnahmen. Aus diesem Grund verloren beim diesjährigen Zinsanstieg die meisten Anlageklassen an Wert, deren Preis sich an den künftig zu erwartenden Einnahmen orientiert. Die Kehrseite davon ist jedoch, dass auch sie – genau wie Anleihen – zurzeit wieder attraktivere «Renditen» bieten – der wichtigste Faktor für langfristigen Gewinn.

Staatsanleihen bieten wieder Rendite, was für die Diversifizierung wichtig ist

Der Anstieg der Anleiherenditen in diesem Jahr hatte für Investoren weltweit zwei wichtige Konsequenzen. Erstens stellen globale Staatsanleihen angesichts der deutlich gestiegenen Renditen (bereinigt um die erwartete Inflation liegen sie wieder im positiven Bereich) zunehmend eine wettbewerbsfähige Alternative zu Aktien dar. Anstelle des «TINA»-Umfelds der letzten Jahre sprechen die Marktteilnehmer daher jetzt von «TARA» («There are reasonable alternatives»). Das bedeutet, dass Anleger ihre Renditeziele eher erreichen können, ohne sich zu sehr gegenüber risikoreicheren wirtschaftssensitiven Anlagen wie Aktien und Hochzinsanleihen exponieren zu müssen.

Zweitens sind Staatsanleihen angesichts ihrer gestiegenen Renditen wieder viel besser in der Lage, ihre defensive Rolle im Portfolio zu erfüllen. Denn die Zinssätze haben wieder viel mehr Spielraum zu sinken, falls sich die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtern sollten (siehe Abbildung). Dieses Diversifizierungspotenzial ist einer der wichtigsten Faktoren, um eine attraktive risikobereinigte Rendite in einem ausgewogenen Portfolio zu ermöglichen.

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Die Ertragsaussichten für ein gut diversifiziertes gemischtes Portfolio haben sich deutlich verbessert.

Josh Bouchard, Investment-Stratege
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Risiken bleiben, aber die mittelfristigen Aussichten haben sich verbessert

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass das Jahr 2022 für Anleger sicherlich ein schwieriges Jahr war. Auch die Aussichten für das kommende Jahr bleiben ungewiss. Die Notenbanken der Welt werden ihren Kampf gegen die Inflation fortsetzen, der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise werden die Weltwirtschaft noch belasten und China sieht sich vielen Herausforderungen gegenüber, während es versucht, sich von den Folgen der Null-Covid-Politik und der Immobilienkrise zu erholen.

Die gute Nachricht für Anleger ist jedoch: Erstens spiegeln sich diese negativen Szenarien bereits zum Teil in den Vermögenspreisen wider. Zweitens – und noch wichtiger – haben die Preise in allen Anlageklassen (insbesondere bei Anleihen) inzwischen von den unhaltbar hohen Niveaus zu Beginn des Jahres 2022 korrigiert und bieten langfristig orientierten Investoren damit wieder eine verlässlichere Alternative für die Investition von Ersparnissen.

Anlagepolitik-Ansprechpartner

Unsere Finanzexperten

Björn Eberhardt
Leiter Investment Office

Brian Mandt
Chefökonom

Josh Bouchard
Investment-Stratege

Reto Lötscher
Leiter Finanzanalyse

Thomas Eyer
Fondsanalyst