Fokus Erhöhte Inflationsrisiken-Intro

Erhöhte Inflationsrisiken werden ein Dauerthema bleiben

Die Märkte erwarten einen mittelfristigen Rückgang der Inflation auf die Vorkrisenniveaus. Sollte sie höher bleiben, hätte dies wichtige Auswirkungen auf Vermögenspreise.

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Der Inflationsspuk hält noch an. Während sich die Aussichten für das Wirtschaftswachstum eintrüben, treibt das Inflationsgespenst sein Unwesen. Insbesondere in den Industrieländern hält sich die Inflation noch hartnäckig. So knackte die Teuerungsrate im Euroraum zuletzt die Marke von 9%. In den USA scheint die Inflationsrate zwar nahe am Zenit. Das Niveau ist aber mit 8.3% weiterhin hoch. Die von den Zentralbanken anvisierte Zielinflation von 2% wird klar überschritten. Auch hierzulande kletterten die Lebenshaltungskosten aufwärts. Die Schweizer Inflationsrate lag im August bei 3.5%. Das ist zwar im internationalen Vergleich moderat. Für Schweizer Verhältnisse aber eben nicht.

Inflation dürfte bald sinken

Wir erwarten, dass die Inflationsraten im kommenden Jahr, wenn auch auf hohen Niveaus, wieder zurückkommen werden. Hierfür gibt es einige Gründe. Einerseits dürften Basiseffekte auslaufen. Andererseits sind in den vergangenen Monaten Preise für einzelne Güter und Dienstleistungen nach unten angepasst worden. Die Nachfrage vor allem nach langlebigen Konsumgütern, wie beispielsweise Waschmaschinen oder Fernsehern, hatte während der Coronabedingten Lockdowns sprunghaft zugenommen. Mittlerweile hat sich die Nachfrage wieder normalisiert. Zudem schränken viele Menschen aufgrund der gestiegenen Preise ihren Konsum ein. Auf der Angebotsseite melden Unternehmen aus verschiedenen Sektoren, dass die Lager an Fertigprodukten deutlich gefüllt sind. Gleichzeitig berichten sie auch, dass Auftragseingänge zurückgehen und sogar Bestellungen storniert werden. In der Konsequenz heisst das aber, dass die Preisüberwälzungsspielräume geringer werden. Eine abnehmende Nachfrage und ein steigendes Angebot sollten zu fallenden Preisen führen. Ein weiterer Faktor sind die internationalen Energie- und Rohstoffpreise. Die Preise für Rohöl sind zuletzt wieder gesunken, was sich ebenfalls in sinkenden Inflationsraten widerspiegeln sollte.

Finanzmärkte trauen Zentralbanken Inflationsbekämpfung zu

Zu guter Letzt sind es die Zentralbanken, die dazu beitragen werden, die Inflation wieder einzufangen. Indem sie die Leitzinsen anheben, können sie die Binnennachfrage bremsen. Der Konsum der privaten Haushalte und die Investitionsnachfrage der Unternehmen nehmen ab, die Wirtschaft verlangsamt sich, und der Inflationsdruck lässt nach – so jedenfalls die ökonomische Theorie. Die Finanzmarktakteure trauen es den Notenbankern jedenfalls
zu, dass sie die Inflation wieder in den Griff bekommen werden. Das lässt sich beispielsweise an den Inflationserwartungen ablesen, die sich aus dem Vergleich der Renditen inflationsindexierter und nicht-indexierter Papiere mit ähnlicher Laufzeit desselben Emittenten ergeben. Für die USA erwarten die Marktteilnehmer, dass die Inflationsrate sich in den nächsten 10 Jahren auf ein Niveau von ca. 2.5% einpendeln wird. Im Frühjahr gingen sie noch davon aus, dass die Teuerungsrate in 10 Jahren 3% betragen würde.

Inflation könnte sich als hartnäckig erweisen

Doch die Inflationsraten werden wohl nicht automatisch auf die Vorkrisenniveaus zurückkommen. Denn das Inflationsgespenst dürfte Zweitrundeneffekte zum Leben erwecken. Damit werden die Reaktionen von Wirtschaftsakteuren auf einen bereits erfolgten Anstieg – oder Rückgang – der Preise einzelner Produkte oder Dienstleistungen bezeichnet. Im Zentrum steht hier die Reaktion der Löhne. Sind beispielsweise nach einem Anstieg des Rohölpreises die Gewerkschaften bestrebt, die hierdurch reduzierte Kaufkraft ihrer Mitglieder
durch eine kräftige Lohnerhöhung wieder auf das ursprüngliche Niveau zu heben, entsteht die Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale. Steigende Preise und steigende Löhne können sich wechselseitig aufschaukeln. Hierbei besteht zudem die Gefahr, dass die Inflationserwartungen steigen, was seinerseits das Wiedererlangen von Preisstabilität erschwert. Diese Gefahr ist vor allem in den USA latent. Dort sind die Löhne bereits kräftig gestiegen. Die durchschnittlichen Stundenlöhne kletterten zuletzt über 5% im Vorjahresvergleich.

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Brian Mandt, Chefökonom

Strukturelle Gründe (Energiewende, Demografie etc.) könnten künftig zu höheren Inflationsraten als in der Vergangenheit führen.

Brian Mandt, Chefökonom
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Erhalt der Preisstabilität aus strukturellen Gründen erschwert

Selbst wenn die Teuerungsraten die 2%-Marke erreichen sollten, wird es für die Zentralbanken schwieriger werden, für Preisstabilität zu sorgen. Grund hierfür sind strukturelle Faktoren. Ein wichtiger Faktor sind die Energiepreise. Wir gehen davon aus, dass Energie in den kommenden Jahren teuer bleiben wird und die Preise dafür noch weiter steigen könnten. Das liegt u.a. daran, dass der Ausbau erneuerbarer und umweltfreundlicher Energiealternativen teuer ist. Zudem wachsen Energiehunger und Löhne der Schwellenländer mit ihrem Entwicklungsstand weiter. In vielen Industrieländern, aber auch in einigen Schwellenländern, ist zudem eine Überalterung der Gesellschaft festzustellen. Das Potenzial der Arbeitskräfte nimmt ab. Damit sollte – eigentlich – der Verhandlungsspielraum für die Arbeitnehmer zunehmen, was die oben beschriebene Lohn-Preis-Spirale auf globaler Ebene wahrscheinlicher machen kann. Darüber hinaus hat die Pandemie die Schwachstellen einer integrierten globalen Wertschöpfung aufgezeigt. Die Umfragen bei Unternehmen zeigen, dass sie nach wie vor ihre Produktion global ausgerichtet lassen werden. Sie geben aber an, dass sie ihre Lieferketten diversifizieren werden. Das kann bedeuten, dass es zu Effizienzverlusten kommt, was sich wiederum in den Preisen niederschlagen kann.

Zentralbanken bleiben gefordert

Es gibt also eine Reihe von Gründen, die dafür sprechen, dass der Rückgang auf die von den Zentralbanken favorisierte Marke von 2% kein Selbstläufer wird. Die Zentralbanken bleiben damit wohl länger gefordert, als es den Finanzmarktteilnehmern lieb ist, und sie könnten sogar dazu genötigt sein, stärker auf die geldpolitische Bremse zu treten als von den Märkten erwartet wird. Das spricht für eine längere Phase höherer inflationsbereinigter Renditen (Realrenditen), als wir es aus der jüngeren Vergangenheit gewohnt sind. 

Dass die Notenbanken bei der Inflationsbekämpfung nicht klein beigeben wollen, haben sie in den letzten Monaten eindrucksvoll gezeigt. Die Notenbanker erklärten, dass für sie die Wiederherstellung von Preisstabilität oberste Priorität geniesst. Zudem nehmen sie in Kauf, dass sich die Wirtschaft verlangsamt. Wir gehen zwar davon aus, dass vor allem eine lang anhaltende und tiefe Kontraktion (Rezession) vermieden werden kann. Die Gefahr, dass die Zentralbanken das Zinsruder so stark herumreissen, dass es dennoch zu einer kräftigen und ausgeprägten Rezession der Wirtschaft kommt, hat aber deutlich zugenommen. Allerdings
gibt es auch ein anderes Szenario, das man trotz aller Rhetorik der Notenbanker nicht unterschätzen sollte: dass die Zentralbanken im Fall einer Rezession bei gleichzeitig erhöhter Inflation dann doch eher das Wachstum stützen als die Inflation bekämpfen werden. Diese Möglichkeit erhöht die Unsicherheit des mittelfristigen Inflationsausblicks ebenfalls.

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Erhöhte Unsicherheit bezüglich der Inflation kann zu erhöhter Volatilität bei Risikoprämien und Vermögenspreisen führen.

Brian Mandt, Chefökonom
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Inflation beschäftigt Finanzmärkte noch lange

Der unsichere Inflationsausblick hat bedeutende Implikationen für die Finanzmärkte. In den Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie war die Inflation in den meisten Industrieländern recht stabil und befand sich auf niedrigen Niveaus. Teilweise – wie in der Schweiz oder in Japan – war sie sogar längere Zeit im negativen Bereich. Das machte es für Unternehmen und Anleger leichter, die Inflation zu prognostizieren und Entscheidungen danach auszurichten. Das trug zu einem Rückgang der Risikoprämien für Inflationsrisiken bei. Dieses Umfeld spiegelte sich auch in einer tiefen Volatilität und sinkenden Renditen an den Obligationenmärkten wider. Dies wiederum führte zu steigenden Kursen bei anderen Vermögenswerten wie z.B. Aktien oder Immobilien. Diese Phase tiefer und stabiler Inflation ist wohl vorerst vorüber. Allerdings preisen die Finanzmärkte aktuell noch eine mittelfristige Rückkehr der Inflation auf die Vorkrisenniveaus ein. Aus unserer Sicht besteht das grosse Risiko, dass diese Erwartung zu optimistisch ist. Denn wenn dem nicht der Fall ist, dürften die Inflationsrisikoprämien wieder steigen und dadurch die Bewertungen von anderen Anlageklassen unter Druck setzen. Die nominalen Zinsniveaus sind in den letzten Monaten zwar gestiegen. Sie könnten sich aber noch als zu niedrig erweisen. Denn die Realzinsen in kurzen Laufzeiten sind weiterhin tief im negativen Bereich. Hohe Inflationsraten und das Bekenntnis der Zentralbanken, für Preisstabilität zu sorgen, selbst auf Kosten der Wirtschaft, lasteten in den letzten Wochen auf allen Anleihesegmenten und könnten zu weiter steigenden und längere Zeit erhöhten Nominal- und Realrenditeniveaus führen. Höhere Obligationenrenditen und eine höhere Volatilität von Renditen und Inflation belasten jedoch auch die Aktienmärkte, insbesondere die zinssensitiven Sektoren. Das war bereits in den vergangenen Monaten der Fall, es könnte jedoch zu einem längerfristigen Begleiter an den Finanzmärkten werden. 

Aus Schweizer Perspektive sind zudem die Auswirkungen der unterschiedlichen Inflationsperspektiven auf die Wechselkurse bedeutsam. Sollte die Inflation im Schweizer Franken dauerhaft tiefer sein als im Euro und US-Dollar, wird dies den Franken auf einem
Aufwertungstrend halten. Das spricht mittelfristig für eine stärkere Gewichtung der heimischen Währung in gemischten Portfolios. 

Aus den oben genannten Gründen raten wir zu einer defensiveren Ausrichtung von gemischten Portfolios. Anleihen und Aktien erscheinen noch nicht fair bewertet,
und für die Absicherung der Inflationsrisiken setzen wir weiterhin auf Edelmetalle und Rohstoffe.

Anlagepolitik-Ansprechpartner

Unsere Finanzexperten

Björn Eberhardt
Leiter Investment Office

Brian Mandt
Chefökonom

Josh Bouchard
Investment-Stratege

Thomas Härter
Investment-Stratege

Reto Lötscher
Leiter Finanzanalyse

Thomas Eyer
Fondsanalyst