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Die Straffung der Geldpolitik zeigt ihre Schattenseiten

Der scharfe Zinsanstieg der letzten Monate hat erste Folgen im Finanzsektor. Noch ist unklar, ob die Bankenkrise bereits erfolgreich eingedämmt wurde. Portfolios sollten defensiv ausgerichtet bleiben.

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Die Finanzmärkte wurden in den vergangenen Wochen einem enormen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Noch Anfang März war die grösste Sorge, dass die Konjunkturdaten zu gut ausfallen und die Notenbanken darum stärker an der Zinsschraube drehen müssten. Nur wenige Tage später reichten dann ein paar Stunden aus, um das Pendel in die andere Richtung schwingen zu lassen: die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) erschütterte das Vertrauen der Finanzmärkte in die Stabilität des Bankensektors zutiefst. Wohl auch, weil sie ungute Erinnerungen an die globale Finanzkrise vor 15 Jahren auslöste. Am Wochenende darauf endete die Geschichte der Credit Suisse mit der Übernahme durch die UBS. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die bisher getroffenen Massnahmen tatsächlich ausreichen, um die Finanzmärkte dauerhaft zu stabilisieren.


 

Konjunktur trotzte Unkenrufen bisher

Was die konjunkturelle Lagebestimmung anbelangt, lässt sich zunächst festhalten, dass die Wirtschaft im zurückliegenden Winter deutlich besser lief, als man im Pessimismus des Herbstes 2022 erwartet hätte (Abbildung 1). Übertrieben die Finanzmärkte und Unternehmensumfragen damals nach unten, so schien das Gegenteil im Januar und Februar dieses Jahres der Fall zu sein (Abbildung 2). Denn die Finanzmarktrally zum Jahresauftakt basierte zu einem grossen Teil auf der Hoffnung, dass der Wirtschaft schon eine «sanfte Landung» gelingen würde. Dafür lieferten die Konjunkturdaten mehrheitlich gute Gründe. Einzig einige Immobilienmärkte zeigten Bremsspuren, insbesondere in Nordamerika. Aber selbst diese waren milder, als man erwartet hätte. Und die Arbeitsmärkte – zugegebenermassen ein nachlaufender Indikator – stehen immer noch besser da als unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie. Es überrascht daher wenig, dass die zugrunde liegenden Inflationstrends nur wenige Zeichen der Entspannung aussenden.


 

Sorgen vor zu langsamen Inflationsrückgang

Die Ausgangslage für die globale Wirtschaft war vor den jüngsten Sorgen um das Bankensystem also überraschend positiv. Hinzu kam die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft, die den Optimismus an den Finanzmärkten beflügelte. Aus diesem Grund liess sich durchaus die Frage stellen, wie weit und wie schnell die Inflation tatsächlich nachhaltig in Richtung der Zielwerte der Zentralbanken sinken könnte. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank, hat dem Thema nur zwei Tage vor der SVB-Pleite Rechnung getragen, indem er sogar die Tür für etwas grössere Zinsschritte wieder öffnete.

Bankensorgen könnten Ausblick ändern

Die grosse Frage im Moment ist, ob sich diese eher positive Ausgangslage durch die Probleme im Bankensektor bereits verschlechtert hat und was dies für die Ausrichtung von Anlageportfolios bedeutet.

Realwirtschaftliche Daten stehen so kurzfristig natürlich noch nicht zur Verfügung. Zu den Fakten zählen zunächst einmal vor allem

  • die Rettung der CS und die Pleite einiger regionaler US-Banken,
  • die ergriffenen Massnahmen von Regulatoren und Notenbanken sowie
  • der Anstieg der Volatilität an den Finanzmärkten, insbesondere bei den Zinsen.
     

Gesamtwirtschaftlich dürfte 

  • Ersteres für sich genommen die globale Konjunktur nicht aus der Bahn werfen,
  • das Zweite positive Effekte haben (sie sollten die Bankensysteme robuster gegen eine Bankenpanik machen) und
  • das Dritte negativ wirken (es kann Unternehmen und Haushalte zurückhaltender machen).
     
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Björn Eberhardt, Leiter Investment Office

Der weitere Konjunkturverlauf hängt zurzeit stark von der Stabilität des Finanzsektors ab.

Björn Eberhardt, Leiter Investment Office
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Der weitere Verlauf der Konjunktur dürfte somit stärker von den Entwicklungen an den Finanzmärkten bzw. der Stabilität des Finanzsektors abhängen als noch vor kurzer Zeit. Das macht es so schwer berechenbar, denn die Finanzmärkte sind bekanntermassen von Emotionen getrieben und neigen damit immer wieder zu starken Übertreibungen nach unten (Angst) und nach oben (Gier), die sich auch auf die Realwirtschaft auswirken können. Erschwerend kommt hinzu, dass es die Notenbanken in der aktuellen Situation mit deutlich erhöhten Inflationsraten zu tun haben. Dadurch könnten sie zu unangenehmen Entscheidungen gezwungen werden.

Abwärtsrisiken haben zugenommen

Welche Szenarien lassen sich aus der aktuellen Situation nun ableiten? Wir gingen bereits vor den jüngsten Verwerfungen im Bankensektor von einer konjunkturellen Verlangsamung als Folge der geldpolitischen Straffung aus. Die Volatilität der vergangenen Wochen hat dies unserer Meinung nach wahrscheinlicher gemacht. Allerdings ist auch das Risiko gestiegen, dass sich negativere Szenarien materialisieren.

Im besten Fall gelingt es den Notenbanken und Aufsichtsbehörden, das Vertrauen in das Bankensystem schnell und nachhaltig wiederherzustellen. Je schneller das geschieht, desto geringer würde der konjunkturelle Kollateralschaden ausfallen. Damit wäre die Ausgangslage ähnlich wie noch Anfang März, wenngleich mit etwas angeschlagenerem Marktsentiment. Die Notenbanken könnten den Fokus auf die Inflationsbekämpfung zurückverlegen.

Je länger hohe Volatilität und angeschlagenes Marktsentiment hingegen anhalten, desto wahrscheinlicher sind negative Auswirkungen auf die Konjunktur. Beispielsweise könnten Banken anfangen, ihre Kreditvergabe zu reduzieren oder Kredite zu verteuern. Die Vertrauenskrise würde dann beginnen, selbsterfüllend zu werden. Das Ausmass der Abkühlung ist jedoch im Voraus schwer abzuschätzen. Das Gleiche gilt für die Inflation. Je stärker die negativen konjunkturellen Auswirkungen, desto stärker dürfte die Inflation zurückkommen.

Es handelt sich dann nämlich primär um einen Nachfragerückgang, der bei unveränderter Angebots- bzw. Produktionsseite disinflationär wirkt. Die Notenbanken bekämen Spielraum, im schlimmsten Fall mit einer Lockerung der Geldpolitik zu reagieren.

Finanzmärkte preisen kein einheitliches Bild

Schaut man an, wie sich die Finanzmärkte angesichts der Unruhe im Bankensektor entwickelt haben, fällt Folgendes auf:

  • Die Aktienmärkte haben korrigiert, aber zum Teil noch nicht einmal ihre Gewinne seit dem Jahresanfang abgegeben. Eine Rezession ist hier nicht das Basisszenario.
  • Die Renditen sind deutlich gesunken und preisen mittlerweile wieder Leitzinssenkungen in Richtung Jahresende ein. Damit signalisieren sie Rezessionsängste.
  • Die Risikoprämien von Unternehmensanleihen haben angezogen (dominiert vom Finanzsektor) und preisen damit etwas erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten ein. Das absolute Niveau der Prämien ist jedoch noch relativ niedrig.
  • Die Rohstoffmärkte zeigen ein Plus beim Gold (sicherer Hafen, Möglichkeit einer Lockerung der Geldpolitik) und ein deutliches Minus beim Ölpreis und einigen Industriemetallen (Konjunktursorgen).
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Bleibt eine Finanzkrise aus, dann sind Staatsanleihen derzeit am offensichtlichsten zu hoch bewertet.

Björn Eberhardt, Leiter Investment Office
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Basisszenario: Finanzkrise bleibt aus

In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass eine «Finanzkrise 2.0» vermieden werden kann und sich das Vertrauen der Marktteilnehmer wieder erholt. Das Wachstum dürfte sich wie erwartet noch weiter verlangsamen und die Inflation ihren Abwärtstrend fortsetzen. Kurzfristig könnten sich die Aktienmärkte erholen, da das schlimmste Szenario ausgepreist wird. Angesichts der anhaltenden Wachstumsabschwächung dürfte das Potenzial für die Aktienmärkte aber begrenzt bleiben. Zyklische Rohstoffe würden sich in diesem Fall ebenfalls erholen. Die Renditen der Staatsanleihen hingegen müssten wieder anziehen, da die Inflation noch erhöht ist und die Zentralbanken sich nicht vom Modus der Inflationsbekämpfung abwenden werden. Aus diesem Grund empfehlen wir für gemischte Portfolios auch eine defensive Positionierung mit Untergewichten bei Aktien und Staatsanleihen sowie Übergewichtungen von Liquidität, Rohstoffen, Immobilienanlagen und Gold.

Nicht auf Extremszenarien positionieren, der Anlagestrategie vertrauen

In dem aus unserer Sicht weniger wahrscheinlichen Szenario einer grösseren Finanzkrise würden sich hingegen Wachstum und Inflation deutlich abschwächen. Die Notenbanken könnten vom Modus der Inflationsbekämpfung in jenen der Rezessions- und Deflationsbekämpfung schalten. Sie würden das jedoch nur tun, wenn es offensichtlich wird, dass die Konjunktur ohne Eingreifen in einen Abwärtsstrudel geriete. Für ein solches Krisenszenario sind wir vor allem durch die grundsätzliche Struktur von Anlagestrategien vorbereitet. Krisensichere Anlagen wie Staatsanleihen mit bester Schuldnerqualität, Gold und Exponierungen gegenüber Währungen mit «safe haven»-Charakter wie dem Schweizer Franken und dem US-Dollar sind aus diesem Grund für uns fundamentale Bestandteile von Anlagestrategien.

In der Anlagetaktik empfiehlt es sich für ein solches Szenario, vor allem die Aktienquote unterzugewichten. Denn Aktien weisen eine hohe Volatilität auf und spielen in den meisten gemischten Portfolios eine wichtige Rolle. Schon ab einem Anteil von 15 bis 20% beginnen sie, die Volatilität des Gesamtportfolios zu dominieren. Entsprechend reflektiert unsere aktuelle Aktienuntergewichtung auch die Möglichkeit, dass sich ein deutlich negativeres Szenario materialisieren könnte.

Hartnäckigere Inflation als weiteres Risiko

Wenn sich die Nervosität hingegen schnell legt und die Konjunktur ihre bisherige Robustheit beibehält, würde eine Korrektur vor allem bei den Inflations- und Leitzinserwartungen einsetzen. Hauptleidträger wären Staatsanleihen, die einem deutlichen Renditeanstieg ausgesetzt wären. Auch für die Aktienmärkte würde diese nach einer anfänglichen Erleichterungsrally wieder ein Belastungsfaktor. Für dieses Szenario wappnen wir uns durch die Untergewichtung von Staatsanleihen und die Übergewichtungen bei Rohstoffen, Gold und dem Einsatz von inflationsgeschützten Staatsanleihen.

Anlagepolitik-Ansprechpartner

Unsere Finanzexperten

Björn Eberhardt
Leiter Investment Office

Brian Mandt
Chefökonom

Josh Bouchard
Investment-Stratege

Reto Lötscher
Leiter Finanzanalyse

Thomas Eyer
Fondsanalyst